bad or good
Abhauen oder vertrauen?
Lukas
13,6-9
"Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem
Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu
dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht
gesucht an diesem Feigenbaum, und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem
Boden die Kraft? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies
Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge, vielleicht bringt er doch noch Frucht;
wenn aber nicht, so hau ihn ab."
In
zwei Pflegefamilien war er schon; die hat er regelrecht verschlissen. Dann
Wohngruppe im Kleinstheim; immer wieder kleine kriminelle Delikte. Und jetzt der
Versuch, den Geldautomaten der Dorfbank zu knacken; - wurde natürlich gefilmt
und man hat ihn geschnappt. Sehen Sie, so steht's auch schon geschrieben:
Irgendwann hat die Geduld ein Ende. - Wir haben es genug probiert, aber jetzt
werden wir den Jungen der Polizei ausliefern. irgendwann ist Schluss - Ende der
Fahnenstange! So gründlich kann man sich vertun, so gründlich kann man einen
Text missverstehen, wenn man nicht genau hinhört und hinschaut - hinschaut auf
das, was Jesus uns in seiner Predigt, mit seinem Leben und in seinen
Gleichnissen sagt, welches Bild er zeichnet und welches Symbol. Schnell,
überschnell sind wir bereit, den Herrn des Weingartens für niemand anderes als
für einen richtenden Gott zu halten. Zusätzlich ermöglicht uns diese
Vorstellung, dass wir uns gleichsetzen können mit einem solchen Gottesbild und
dass wir nun so tun können, als hätten wir eine von oben vorexerzierte Geduld zu
haben, die aber ihre Grenzen hat. Denn irgendwann reißt der Geduldsfaden und
dann können wir sagen: "Jetzt hat es ein Ende" - so, als seien wir Gott
selbst!
"Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet!" Was ist
gemeint mit dem Feigenbaum? Ich denke: Wir alle sind gemeint, alle, die ganze
Welt. Wenn wir heute die Nachrichten gesehen haben, dann wissen wir, wie es
bestellt ist um diese Welt, mit der Armut auf der Erde, aber auch der Armut in
unserer Bevölkerung bei Millionen von Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern,
allein erziehenden Müttern, Nicht-sesshaften. Dann wissen wir, wie es bestellt
ist um die die Welt angesichts der Gefahren der Atomkraftwerke, des Atommülls,
der Gefahren der ökologischen Verseuchung und dass es irgendwann in einigen
Jahrzehnten möglicherweise schon zu spät ist. Umkehr ist angesagt - Umkehr auf
ganzer Linie! Das ist gemeint, ehe der Feigenbaum zu Fall kommt, ehe er gefällt
wird, gefällt durch uns - durch das, was wir falsch machen - durch uns! Johannes
der Täufer hat es ganz deutlich aus-gerufen. Ihn haben die Leute gefragt: "Was
können wir denn tun?" Und er forderte: "Wer zwei Hemden hat, der gibt eines ab,
und die, die ihr Zöllner seid, übervorteilt niemanden und ihr , die Soldaten,
wendet keine feige Gewalt an, seid friedfertig!" Wenn wir allein diese drei
Bedingungen beherzigen: abzugeben, nicht zu viel zu nehmen und friedfertig zu
sein; wie gut wäre es um diese Welt bestellt. Wenn wir doch nur auf seine Worte
hören würden, wenn wir uns doch nur ein Herz nehmen und sagen würden: Lasst uns
umkehren - umkehren zu einem guten Weg hin zum Reiche Gottes!
Der
Feigenbaum: Jesus nimmt dieses Bild des Feigenbaums nicht zufällig. Der
Feigenbaum hatte zur damaligen Zeit und hat in südlichen Ländern nach wie vor
heute eine vielfältige Bedeutung. Er bedeutet in diesen warmen Ländern schlicht
und einfach Schatten - ein Baum mit großen Blättern, meistens mitten in einem
Weinberg. Er ermöglicht den Bauern, wenn sie den Wein im Winter beschneiden und
dann schließlich im Frühjahr pflügen, irgendwann die wilden Wurzeln hacken und
schliesslich in der Weinernte sind, dass sie sich in den Pausen all dieser
Arbeiten - vordringlich in der Glut der Mittagssonne - zusammensetzen und
ausruhen können unter seinem Schatten. Der Feigenbaum spielt eine Rolle im Neuen
Testament, z. B. ganz zu Anfang des Johannes-Evangeliums (Joh 1,50), da ruft
Jesus einem seiner Jünger, Nathanael, zu: "Dich habe ich gesehen unter dem
Feigenbaum." Wie oft mögen sie gesessen haben unter diesen Bäumen, sich
ausgeruht, diskutiert, miteinander gerungen haben - gerungen um Umkehr,
Neubesinnung und um das Reich Gottes. Der Feigenbaum ist ein Baum, der nicht nur
kultiviert werden muss, sondern einfach so wachsen und seine Frucht bringen
kann, und dass man dann, wenn man Hunger hat auf langen Wegen, einfach die
Frucht nehmen und sie essen kann. Man kann sie aufbrechen und auf Brot
streichen, wie es manche Bauern auch heute noch tun. Jesus war einmal ärgerlich,
als er zu einem Feigenbaum gelaufen kam und dachte, er könnte die Früchte
ernten, aber erkennen musste, dass keine mehr dran waren. Dieses Bild vom
Feigenbaum - wir selbst - soll also bedeuten, dass wir im Grunde genommen diese
Qualitäten haben: Schatten zu spenden und Frucht zu bringen, Nahrung zu geben.
Die Feige selber hat auch bedeutet und bedeutet nach wie vor ein Symbol für die
Sexualität - ein Symbol für die Fruchtbarkeit. In ihrer herzförmigen Art ist sie
ein Symbol der Liebe unter den Menschen.
Wir sehen, Jesus meint: Ihr habt
alles, alles geschenkt bekommen, ihr konntet alles so gut machen miteinander,
ihr konntet neue Gemeinschaften pflegen, ihr konntet abgeben untereinander, ihr
konntet euch von ganzem Herzen lieben, ihr konntet einen guten Weg gehen zur
Erfüllung des Reiches Gottes, aber wie viele Bäume sehe ich, die keine Frucht
tragen, die nur mangelhafte Früchte tragen, oder wo die Früchte gar nicht zur
Reife kommen, sich gar nicht entfalten können. In unserem Gleichnis ruft es der
Herr des Weinberges aus: "Wenn es so weitergeht, dann schlagt den Baum um!"
Jesus meint, wir haben diese Möglichkeiten, wir könnten wirklich fruchtbringend
sein, wir könnten es miteinander auf den Weg bringen. Er verlangt nichts
Unmögliches von uns, er verlangt nur eines: die Neubesinnung, das, was zu seiner
Zeit Johannes der Täufer und viele andere schon vor ihm gesagt haben: Kommt zur
Besinnung, überdenkt doch alles und denkt daran, was euch Gott im Himmel
eigentlich geschenkt hat, denkt an die guten Früchte an den guten Bäumen! Bei
Lukas 6 in der Feldrede hat Jesus ausgerufen: "Ein gutes Herz bringt einen guten
Schatz hervor." Wir können also, wenn wir wollen und wenn wir uns auf diese
Qualitäten besinnen. Aber so oft verrennen wir uns, so oft sind wir hartherzig
gegeneinander, untereinander, und so oft - von Anbeginn des Sündenfalls - gehen
Menschen Wege, wo sie später verzweifelt sind und sich fragen: "Wie nur konnte
das passieren?" Ich meine nicht nur die großen Kriege, ich meine auch die
kleinen Streitereien, den kleinen Hader, der immer wieder gestiftet wird unter
uns - in mancher Familie, Nachbarschaft, unter Kollegen, unter Freundinnen und
Freunden, unter Kindern auf dem Schulhof. Wie sehr müssen wir uns immer wieder
daran erinnern lassen, dass die guten Früchte in uns aufkeimen und dass wir sie
zur Erfüllung bringen sollten, anstatt sie daran zu hindern. Wir können uns
selbst kritisch beobachten und uns sagen: "Gut, wenn dieser Weg nicht rechtens,
nicht fruchtbringend war, dann gehen wir einen neuen." Und so entstehen immer
neue Verzweigungen: Manche Äste sterben ab, andere wachsen neu, doch insgesamt
ergäbe das ein fruchtbringendes Leben in ständiger Erneuerung, in permanenter
Umkehr! So könnte es sein und so müsste es sein! Und das Fruchtbringende - das
ruft sinngemäss Johannes den Menschen zu, als sie ihn fragen: "Was sollen wir
denn tun?": Wer 2 Hemden hat, gibt eines ab, wer zu viel hat, der soll abgeben,
sich auf keinen Fall korrumpieren lassen, nicht doppelt verdienen, dreifach
verdienen, und auch die Soldaten sollen keine feige Gewalt anwenden. Ich denke,
jedes Bombardement von oben ist feige. Jesus ruft es aus in der Feldrede, in der
Bergpredigt: "Selig sind die Sanftmütigen! Selig sind die Gerechten! Selig sind
die Barmherzigen! Selig sind die Friedfertigen!" Bringen wir unsere Herzen auf
diesen Weg, seien wir in diesem Sinne fruchtbar und verstehen die Fruchtbarkeit
nicht miss, nicht dahin gehend miss, dass wir denken, sie bestünde darin, dass
wir eigennützig scheffeln und anhäufen. Das ist nicht gemeint: Das
Fruchtbringende ist das, was von Herzen kommt, das uns Gott von eh und je
geschenkt hat, nicht, was wir erwirtschaften. Das Fruchtbringende ist das, was
zur Erfüllung bringt, was da ist - in jedem von uns, in jedem Kind, in jedem
alten Menschen, immer da ist, und unser Leben reicht nicht aus, um es zur
Erfüllung zu bringen. > Wir sehen, weil das so ist, haben wir einen
Weingärtner. Mag sein, dass Jesus damals an Johannes gedacht hat, der gesagt
hat: "Ich taufe euch, damit ihr endlich Buße tut und umkehrt!" Johannes
forderte, fand manch bedrohliches Wort. Jesus aber spürte das Glück in der
Umkehr und die Solidarität, die Gemeinschaft mit Gott. Und so dürfen wir wohl
auch an ihn denken, an den Herrn unserer Kirche, der sagt: "Vater, vergib ihnen;
denn sie wissen nicht, was sie tun! Ich gehe nochmals hin, grabe um die
Feigenbäume herum, dünge sie noch einmal gründlich, helfe ihnen auf den Weg, und
dann vergib du ihnen. Sie sind doch eigentlich guten Herzens." In diesem Gott-
und Menschenvertrauen hat Jesus gelebt, darunter hat er auch gelitten, aber er
hat auch geliebt; er hat die Menschen geliebt und sie ihn; er hat die Menschen
geliebt, die um ihn herum waren; und viele, viele, die schon aufgegeben waren,
fast "abgehauen", haben sich besonnen, ob es Ehebrecher waren oder Schurken
waren, gewalttätige Menschen oder einfach nur Schwerkranke, psychisch Leidende!
Er war der Weingärtner für sie, und er ist es für uns. Die Menschen haben ihn
ermordet, aber Gott der Herr hat ihn auferweckt, und er ist da. Damit ist
erfüllt, was der Weingärtner erbeten hat: "Lass mich noch einmal Gutes an ihnen
tun, ihnen aufrechthelfen, um den fruchtbringenden Weg zu zeigen, den Gott vor
allen Zeiten in alle Zeit hinein geschenkt hat." Und so dürfen wir aus einem
doppelten Grunde gläubig sein: Einmal auf Grund der Ewigkeit der Gnade Gottes,
der Ewigkeit des Guten, das Gott in unser aller Herzen gelegt hat; und
schiesslich auf Grund der Arbeit des Weingärtners, seiner Leistung an uns, dass
wir durch ihn gerettet sind. In diesem Sinne ist eine Ethik des guten Lebens
immer auch begründet in der Dankbarkeit.
Der Jugendliche lief damals weg,
er wurde nicht an die Polizei ausgeliefert, er lief hinein in unsere Familie und
fand dort Unterschlupf. Heute lebt er auf einem Campingplatz, gar nicht weit von
unserem Ort entfernt. Er hat immer wieder Menschen gefunden, immer wieder gute
Herzen gefunden, die ihm geholfen haben. Und irgendwann rief er mich an und
sagte: "Weißt du, Pastor, Gott hat's doch gut gemeint mit mir!" Und auch der
Heimleiter sagte mir eines Tages: "Es ist nicht so, dass ich der Herr des
Weinberges bin, wir alle müssen ringen um die Vergebung, wir alle müssen ringen
darum, dass das, was uns geschenkt ist, zur Blüte kommt!"
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