In der bedeutendsten Predigt Jesu, der Bergpredigt, hat
das Wort "Glück" einen zentralen Stellenwert. So beginnen die sogenannten
Seligpreisungen alle mit den Worten "Glücklich sind...". Die erste und
wohl grundlegende Seligpreisung lautet: "Glücklich sind, die geistlich arm
sind; denn ihnen gehört das Himmelreich." Arm zu sein ist vor Gott die
Basisformel für Erlösung und Glück. Wir können zu der Wahrheit unserer
Existenz stehen; wir brauchen uns mit all unseren Problemen und
Schattenseiten nicht mehr zu verstecken. Das Glück des Menschen besteht
darin, arm sein zu dürfen, sich so anzunehmen und zu zeigen, wie er von
Gott gewollt ist. So kann der Mensch zu sich selbst finden.
Geistliche Armut im Sinne Jesu bedeutet bei den Kindern immer die naive
Offenheit für die Liebe Gottes und seine Schöpfung. Das Kind ist in einem
guten Sinne tatsächlich arm, weil es noch nicht "angereichert" ist mit den
verdinglichenden Reichtümern dieser Welt, mit ihren Zwängen,
Rollenvorschriften und der ganzen Maskerade von Anstand und gutem
Benehmen. Geistliche Armut bedeutet die Freiheit für die
Selbstorganisation des Geistes in Koevolution mit all der Liebe, der
Schönheit, den Wundern, die in Gottes Schöpfung enthalten sind. Zur
geistlichen Armut gehört eben auch, dass man im religiösen Sinne nicht
festgelegt, also noch offen ist für Gottes Geist, für alle geistvollen
Eingebungen aus der Unendlichkeit der Elemente der Schöpfung und der
schöpferischen Kraft. Deshalb stellt Jesus die Naivität von Kindern in die
Mitte. Zwar kann der erwachsene Mensch nicht wieder ein Kind werden, aber
er kann sich die kindliche Naivität bewahren. Riceur4 hat dies die zweite
Naivität genannt, und meinte damit, dass ein Mensch über einprägsame
Bilder und Symbole und durch die von ihnen hervorgerufene Fülle der
Gefühle zurückkehren kann zu neuen, kreativen Ausgangspunkten eines
Verständnisses der Welt und seiner selbst.
In all seinen Gleichnissen und Predigten kam es Jesus darauf an, seinen
Zuhörerrinnen und Zuhörern Anteile des Gottesreiches zugänglich zu machen.
Die Menschen konnten empfinden: Dieses Reich ist unmittelbar unter ihnen,
es geschieht in Anwesenheit Jesu, unter dem Einfluss des Geistes Gottes,
der überall weht. Sie müssen ihn nur annehmen. Jesus wollte befreien, was
Gott schon geschaffen hat, was aber erdrückt ist durch menschliches
Handeln. So ist das Gottesreich auch ein Zu-sich-kommen der gemarterten,
unterdrückten Schöpfung Gottes.
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